Robert Kennedy

Gestern sah ich mir den Film „Bobby - Der letzte Tag von Robert F. Kennedy“ an, der am Samstag im Fernsehen lief. Die Machart des Films gefiel mir ausgesprochen gut. Es wurden viele Geschichten von Menschen erzählt, die an diesem Tag irgendwie im Hotel Ambassador zu tun hatten. Auf diese Weise entstand ein guter Eindruck dieser Zeit. Robert Kennedy wurde von keinem Schauspieler dargestellt. Stattdessen wurden Originalaufnahmen des Senators geschickt in den Film integriert.

Abgesehen davon, dass mir der Film ausnehmend gut gefallen hat, fiel mir auf, welche Energie er ausstrahlte und transportierte. 1968, das Jahr des Auf- und Umbruchs im 20. Jahrhundert. Und das kam so deutlich rüber, dass ich es fast angreifen konnte. Ich war – wieder einmal – schlichtweg fasziniert. In meinem Leben hat sich alles verändert. Jede Einstellung, die ich einmal hatte, habe ich nicht mehr. Alles, was mich einmal begeistert hatte, ist mir heute egal. (Dafür begeistern mich andere Dinge.) 1968 ist die einzige Ausnahme. Die Energie dieses Jahres reißt mich mit, solange ich denken kann. Ich wurde in diesem Jahr gerade mal 5, da hat mich das Weltgeschehen nicht berührt. Die Faszination begann erst später, so mit 16, 17. Und sie hält bis heute an.

Auf der halben Welt haben sich große Mengen von Menschen angeschickt, das gesamte Gesellschaftssystem total zu verändern, keinen Stein auf dem anderen zu lassen. Diese Menschen wollten nicht etwa da und dort Verbesserungen. Nein, sie wollten nicht weniger als die totale Erneuerung. Und das, was sie wollten, stimmt in großen Zügen mit dem überein, was Shaumbra heute wollen. Es ist uns heute nur allzu verständlich, dass sich das Alte Bewusstsein mit ganzer Kraft gegen diese Veränderungen stellte, und dass ein veritabler Kampf entstand.

Zu den gesellschaftlichen Umständen, die wir in Europa gleichermaßen hatten, kamen in den USA noch die brennenden Themen des Rassismus und des Vietnamkrieges. Alles zusammen ein richtiger Hexenkessel für Neues Bewusstsein. Im April jenes Jahres wurde im Zuge dieses Bewusstseinskampfes bereits Martin Luther King ermordet. Er war ein strahlender Stern und Hoffnungsträger für Millionen. Und er musste großen Zugriff auf seine innere Weisheit gehabt haben. Wenn ich heute Reden von ihm höre, denke ich mir immer wieder tief ergriffen: „Dieser Mann hat alles gewusst.“

Und da war Robert Kennedy. Lange Zeit sah er neben seinem strahlenden Bruder John etwas grau aus, verhältnismäßig farblos. Aber das änderte sich schnell. Er hatte nicht das strahlende Gesicht seines Bruders, aber die Energie, die er ausstrahlte, muss ungleich stärker gewesen sein. Als ich gestern den Film sah, hörte ich wieder ein paar Teile von manchen  seiner Reden. Und sie gingen mir wieder durch Mark und Bein. Mir fiel ein, dass ich vor ein paar Jahren eine Dokumentation über ihn gesehen hatte. Dort wurde gezeigt, wie er auf die Menschen wirkte, welche Gefühle er auslöste. Man muss schon fast von Hysterie sprechen. Stärker als bei einem Rock-Star. Wo immer er auftauchte, stürmten die Menschen auf ihn zu und wollten ihn berühren. Kein Politiker hat je so viele Hände geschüttelt wie Robert Kennedy. Aber was heißt hier Hände schütteln! Es war nur noch ein Greifenwollen, zumindest eine flüchtige Berührung. Die Menschen wollten seine Kleidung berühren, irgendetwas von ihm erheischen. Aber bloß berühren, wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde. Niemals zuvor und niemals danach hat ein Politiker solche Emotionen und Begeisterungsstürme ausgelöst. Auch Obama nicht. – Beim Schreiben fällt mir gerade ein, dass etwas Ähnliches nur von Jeshua berichtet wird. Menschen wollen hin zu ihm, ihn berühren, setzen all ihre Hoffnungen in ihn. Und das in Massen.
Aus Wikipedia entnehme ich, dass er bereits am Parteitag 1964 einen 20-minütigen Beifallssturm erhielt, bevor er seine Rede begann. Stellt euch diese Energie vor!

Wenn ich Reden von Robert Kennedy höre, spüre ich pures Neues Bewusstsein. Deshalb bewegen sie mich so, gehen durch und durch. Und ich denke dasselbe wie bei MLK: „Dieser Mann wusste alles.“ Und er hatte den Mut, das alles auszusprechen und in die Tat umzusetzen, trotz der Umstände seiner Zeit.

Als der Film dem Ende zuging, wusste ich, dass nun bald das Attentat kommen würde. Ich beobachtete mich selbst dabei, wie ich in das Drama einstieg, wie ich mich ins Drama fallen ließ. Und es war OK. Mir war bewusst, dass ich nun in ein Drama ging, und ich ließ es zu. Ich war einfach – wieder einmal – tief traurig und verstand die Welt nicht mehr. Was tut da dieses Alte Bewusstsein? Warum ist es so radikal gegen alles? Nur ja keine Veränderung! Warum scheut dieses Bewusstsein vor nichts zurück? Wie viele Menschen bringt es noch um? Warum musste die Welt weitere 40 Jahre des Leids ertragen, bis wirkliche Veränderungen ohne Morden möglich wurden? Wie schrecklich ist das alles! In der Zeit nach der Ermordung Martin Luther Kings und Robert Kennedys wurden die Schwarzen und die Latinos in den USA radikal. Sie hatten keine Hoffnung mehr.

Ich weiß, mit Distanz betrachtet stellen sich diese Fragen nicht. Nicht so. Ich weiß, ich ließ mich ins Drama gleiten. Aber trotz all meiner Bewusstseinsentwicklung, die wirklich schon sehr weit fortgeschritten ist, kann ich in der Ermordung solch eines wunderbaren Engels keine Schönheit sehen. Auch wenn Tobias sagt, dass in allem Schönheit liegt.