Ein Drängen in mir

In der Nacht auf Freitag spürte ich, bereits im Bett liegend, ein Drängen in mir. Ich konnte längere Zeit nicht einschlafen, weil da dieses Drängen war. Es rührte daher, dass am Freitag immer geputzt wird und die Bettwäsche und die Handtücher gewechselt werden. (Ich wohne noch immer im Hotel.) Ich muss dann früher aufstehen, mich zuerst anziehen und danach erst frühstücken usw. Mein gewohnter und geliebter Tagesablauf ist gestört, und überhaupt mag ich es gar nicht, wenn ich etwas tun muss. Ja, und manchmal, nicht immer, kommt es dann vor, dass es am Abend / in der Nacht davor leicht in mir grummelt. Nur leicht, aber dennoch. „Ach, wieder aufstehen und raus gehen …“ (Ich bin ein notorischer Langschläfer und Spätaufsteher.)

Ich spürte aber recht bald, dass das Drängen bei weitem nicht nur von den zu erwartenden Reinigungdamen, die im Übrigen alle sehr nett und freundlich sind und ihre Arbeit perfekt machen, herrührt, sondern dass da ein tieferes Drängen in mir war, worüber ich noch nicht genug wusste. Ich blieb eine Zeitlang dabei und fühlte das Drängen, weil ich es besser kennenlernen wollte. Aber schon bald entschloss ich mich, das auf den nächsten Tag zu verschieben und nun doch zu schlafen. (Das geht übrigens, ich kann entscheiden, ob ich schlafen will, oder ob ich Gedanken oder Gefühlen nachhängen will.)

Wie schon im letzten Blogeintrag weise ich auf die Bedeutung der Wörter hin. Es war ein Drängen, nicht ein Drang. Und dabei belasse ich es jetzt, ich weise nicht jedesmal darauf hin.

Am Freitag widmete ich mich diesem Drängen. Schnell bemerkte ich, dass es mir nicht neu war. Im Gegenteil, ich kenne es schon viele Jahre. Es ist nicht immer da, aber immer wieder. Es sind keine Emotionen damit verknüpft, also es rumort nicht in meinem Bauch. Auch sonst äußert es sich nicht körperlich, deshalb ist es so schwer zu identifizieren. Ich weiß nicht, ob da Hormone ausgeschüttet werden, wahrscheinlich aber nicht, denn die würden sich im Körper irgendwie bemerkbar machen.

Ich spüre also, dass etwas in mir drängt. Ohne zu wissen wonach. Das Drängen ist leise, nicht besonders aufdringlich, dennoch ist es nicht zu überhören. Wobei überspüren hier das bessere Wort wäre. Und mir fällt auf und ein, dass es früher einmal zu manchen Zeiten durchaus stärker und deutlicher war, aber genauso unbestimmt.

Ich bin mir sicher, dass viele Menschen so ein subtiles aber doch deutliches Drängen kennen. Was tust du also, wenn du so ein Drängen in dir spürst? Vermutlich fühlst du, dass du etwas tun musst, dass du handeln musst, um dieses Drängen irgendwie auszudrücken und etwas in dir zu befriedigen. Mir ist an mir aufgefallen, dass ich früher öfter so vorgegangen bin. Ich habe das Drängen gespürt, das sich dann doch mehr wie ein Drang angefühlt hat, und habe es als Aufforderung zur Tat interpretiert. Freilich ohne zu wissen, was ich denn eigentlich tun sollte. Ich bin dann hinaus gegangen, spazieren, Menschen treffen, was weiß ich. Es war ein Gefühl, einen Drang ausleben zu müssen.

Am Freitag war meine erste Annahme, dass sich die Seele hier bemerkbar machte, weil sich das Drängen ja so überhaupt nicht körperlich bemerkbar macht, die ganzen Jahre sich nicht körperlich bemerkbar gemacht hat. Auch nicht geistig, außer dass ich dann immer im Verstand gefragt habe, was ich jetzt tun sollte. Und ich bin diesmal recht schnell draufgekommen, dass das Drängen nicht darauf abzielte, etwas zu tun, sondern darauf, etwas zu erleben. Es ist bloß das konditionierte menschliche Selbst, das erleben mit tun assoziiert. Es sagt: „Wenn ich etwas erleben will, dann muss ich mich dorthin begeben, wo es etwas zu erleben gibt. Oder ich muss Menschen kontaktieren, um mit ihnen etwas zu erleben.“ Mit anderen Worten, es sagt: „Das zu Erlebende kommt nicht zu mir, ich muss zu ihm kommen.“

Es geht also ums erleben, nicht ums tun. Das fand ich schon einmal sehr toll, denn ich hatte nicht die geringste Lust, etwas zu tun. Ich bin in Gedanken all die Situationen durchgegangen, in denen ich das Drängen gespürt und mit Handeln darauf geantwortet hatte. All diese notgedrungenen Handlungen hatten sich nicht gut angefühlt, sie fühlten sich hohl und schal an. Sicher, ab und zu war ich jemand oder etwas begegnet, der/das dann doch ein schönes oder zumindest nettes Erlebnis für mich gebracht hatte. Ab und zu, und meistens eher seicht. Das war nicht das, was ich mir unter Leben vorstellte. Das war eher Warten aufs Leben.

Ich hatte also am Freitag nun Klarheit darüber, worum es bei dem Drängen ging. Zuvor hatte ich nämlich noch zu mir gesagt: „Ich weiß nicht, worum es da geht.“ Dann blieb noch das schwammige „die Seele macht sich hier bemerkbar“. Nun ja, ich kenne die Seele, die ich bin, einigermaßen gut und weiß, was sie will. Sie will frei und völlig unabhängig sein, sich selbst als eigenen, souveränen Gott erfahren, ständig ihrer Freude Ausdruck verleihen und alles erfahren und erleben, was der Mensch erfährt und erlebt. Nun, da sie endlich voll und ganz im menschlichen Körper drin ist. Diese Erfahrung, dass im Leben in verkörperter Erleuchtung die Seele die menschlichen Erfahrungen macht und sie alle mit Freude quittiert, macht dieses Leben so umwerfend und großartig für den Menschen. (Die genaueren Zusammenhänge habe ich im Kleinen Einmaleins der Erleuchtung beschrieben.) Ich hatte viele solche Erfahrungen, aber nicht dauerhaft und nicht sehr oft. Nach längstens ein paar Stunden war die berauschende Erfahrung vorbei, die nächste ließ oft recht lange auf sich warten.

Es war also zunächst völlig klar für mich, dass die Seele mehr, viel mehr im menschlichen Körper erleben will, als sie das bisher gemacht hat. Ganz klar! Mein Leben ist sehr ruhig und zurückgezogen, es gibt nur wenige Menschen darin und wenig äußere Abwechslung. Andererseits muss ich sagen, dass ich nicht zu viel Trubel oder gar Stress haben will, insofern verläuft mein Leben stark nach meiner Wahl.

Nur einen Atemzug später sprudelte aus mir heraus: „Aber das will ich, Mensch, ja auch! Ich will auch mehr, viel mehr erleben.“

Ich habe also wieder einmal erfahren, dass ich als Mensch die Seele bin. Ich weiß nicht mehr, wann das begonnen hat, aber ein paar Jahre nach meiner Erleuchtung habe ich begonnen, mich wieder zu trennen. So zu tun, als ob der Mensch in mir und die Seele in mir zwei Wesen wären, nicht eines. Da hat es irgendwann eine Spitze gegeben, ich weiß aber nicht mehr, wann das war. Während der Zeit der „Trennung“ (Es war keine Trennung, wie ich sie in den Vier Phasen nach der Erleuchtung beschreibe.) habe ich mich sehr wohl verbunden gefühlt, habe die Seele, die ich bin, wahrgenommen und gekannt, dennoch habe ich mich irgendwie zweigeteilt. „Da ist der Mensch, der will das und das, und da ist die Seele, die will das und das.“ Nur um immer wieder zu erfahren, dass Mensch und Seele schon lange immer nur dasselbe wollen.

Irgendwann habe ich mich wieder daran erinnert, wer ich wirklich bin. Also vorsätzlich und absichtlich. Ich habe mir in Erinnerung gerufen, wer ich wirklich bin. Ab da war die Entwicklung wieder rückläufig, weniger Trennung, mehr Einssein. Dennoch ist eine Gewohnheit zurückgeblieben, ein Muster. Oft habe ich gedacht, die Seele dies und der Mensch das. So war es auch am Freitag. Ganz automatisch habe ich gedacht, die Seele macht sich bemerkbar. Aber diesmal habe ich nur mehr einen Atemzug gebraucht, um wieder zu MIR zu kommen. ICH habe mich bemerkbar gemacht. ICH, das ungeteilte Wesen, das sich in seinem menschlichen Ausdruck Reiner Maria nennt.

In der Tat fällt es mir seit geraumer Zeit immer schwerer, zwischen Seele und Mensch zu unterscheiden. Ich lebe schon so lange in verkörperter Erleuchtung, dass die Spuren der Assimilation deutlich zu spüren sind. Die Unterschiede verschwimmen. Und dennoch gibt es sie. Es gibt Bereiche, in denen die Seele viel besser wirkt als der Mensch. Und es gibt Bereiche, in denen der Mensch besser wirkt. Es gibt Aufgaben der Seele und Aufgaben des Menschen. Der Mensch tut sich lange Zeit sehr schwer damit, Aufgaben, die er Äonen lang wahrgenommen hat, der Seele zu übergeben und loszulassen.

Ich habe also am Freitag das Was geklärt und dann das Wer. Die Frage des Wie stellte sich erst gar nicht, denn das gehört nicht zu den menschlichen Aufgaben. Ich habe zu MIR gesagt:

„Gut. Es drängt uns, etwas zu erleben, viel zu erleben. Ich (Mensch) bin bereit dazu. Ich bin bereit für alle möglichen, für die prächtigsten Erlebnisse. Ich stehe nicht mehr auf der Bremse und steige auch nicht mehr drauf. Aber ich (Mensch) tue nichts dazu, ich mache keinen Finger krumm. Bringe du (Seele) die Gelegenheiten, die wir dazu brauchen. Sowie die Gelegenheiten kommen, spiele ich mit. Und wir machen dann gemeinsam die Erfahrungen. In meinem Körper. Aber ich (Mensch) gehe von mir selbst aus nirgendwo hin, um etwas Tolles zu erleben. Du (Seele) bist jetzt gefragt und gefordert.“

Ich habe es wirklich gründlich satt, irgendetwas zu tun. Das hat sich heuer mehr gezeigt denn je. Ich habe auch im Blog mehrmals darüber geschrieben. Es hat so weit kommen müssen, zu den Stillständen, den Sperren, Blockaden und dem totalen Nichtwollen. Ich habe mir das zuvor tatsächlich nie so deutlich eingestanden, dass ich nichts mehr tun will. Aber bereits seit mehreren Wochen bin ich wirklich reif und bereit dazu. Es regt sich keine Stimme mehr in mir, die meint, ich sollte halt zumindest dies oder jenes tun. Schon längere Zeit frage ich mich, warum denn so gar keine Gelegenheiten kommen, etwas Neues oder Anderes zu erleben. Nun, ich habe das Nichtstun und Nichtstunwollen aus ganzem Herzen gebraucht, um zurückzutreten und Platz zu machen. Und ich habe das Drängen gebraucht, um Klarheit zu gewinnen, was da los ist, und mich klar auszudrücken. Ohne Hintertüren, wie das der Mensch so gerne macht. wink

Bis zum jetzigen Zeitpunkt habe ich seit dieser Nacht auf Freitag kein Drängen mehr gespürt. Am Samstag hat sich jemand bei mir gemeldet für ein Treffen in den nächsten Tagen. Das ist natürlich nicht wirklich etwas anderes, aber es wird zumindest ein schöner Abend. Ich werde gerade innerlich immer klarer und deutlicher.