Spiritualität und Alltag: Eine Dualität

Heute schreibe ich über ein Thema, das alle erwachenden und erwachten Menschen beschäftigt. Und ich glaube, es beschäftigt sie viel mehr, als ihnen bewusst ist. Es geht um die Dualität von Spiritualität und Alltagsleben.

Ich erinnere mich gerade an die Zeit vor meinem Erwachen, als ich noch im Prozess des Erwachens steckte. Wenn ich nach meinem Leben gefragt wurde, habe ich niemandem die Wahrheit erzählt, ich habe mich immer darum herum gedrückt. Ich habe niemandem gesagt: „Ich erwache gerade. Mein Bewusstsein verändert sich radikal, und alles ist ziemlich schwierig.“ Vor allem das wollte ich niemand sagen, dass es schwierig war. Ich hatte ja noch die Vorstellung, auf einem linearen Weg eine Superraupe zu werden, und ich hatte noch diese menschliche Identität. Für die war es eine Niederlage, die Schwierigkeiten einzugestehen. Aber vor allem – und darum geht es mir heute – wusste ich, dass mich niemand verstehen würde und ich mit Fragen konfrontiert würde, die ich nicht behandeln wollte.

In jener Zeit war es ein Segen für mich, auf Shaumbra zu stoßen. Die verstanden mich, da konnte ich reden, wie ich wollte. Und ich verstand natürlich sie. Wir hatten alle unsere perfekt geteilte Welt: auf der einen Seite wir, auf der anderen Seite der Rest der Welt mit dem Alltagsleben.

Nach meinem Erwachen ist diese Dualität nach und nach sogar größer geworden. Ich habe zu keinem Menschen da draußen gesagt: „Ich bin erleuchtet.“ Ich hatte schon ein paar Bücher geschrieben und manchen Menschen außerhalb der spirituellen Kreise davon erzählt. Sie fragten mich: „Was für Bücher schreibst du? Romane?“ Meine Antwort war immer: „Ich schreibe über Bewusstsein.“ Ich habe nie gesagt: „Ich schreibe übers Erwachen.“

Auch Shaumbra verstanden mich immer weniger, denn zwischen Erwachen und Erwachtsein ist ein riesengroßer Unterschied, wie ich heute weiß. Ich wurde also immer einsamer.

Wenn sich Freundschaften mit Menschen anbahnten, die sich nicht im Erwachen befanden, also mit ganz normalen Menschen der Masse, zögerte ich ewig, bis ich nach und nach mit der Wahrheit herausrückte. Immer schön in kleinen Häppchen. Es dauerte ziemlich lange, bis ich die Worte „ich bin erwacht“ oder „ich bin erleuchtet“ sagte. Ich hatte ja auch über die Jahre unschöne Erfahrungen damit gemacht. Ein schlafender Mensch hat ja nicht die geringste Vorstellung davon, wovon ein erwachender oder erwachter Mensch spricht. Es kommen dann die ganzen Fragen des begrenzten Bewusstseins, die ganze Verständnislosigkeit und die Unmöglichkeit, seinem Gegenüber irgendwie begreiflich zu machen, worum es eigentlich geht. Man stößt dabei auf absolut undurchdringliche Mauern.

Vor vier Jahren habe ich einmal versucht, einer durchschnittlich schlafenden Frau, mit der ich öfter zu tun hatte, den Unterschied zwischen einem erwachten Menschen und einem schlafenden Menschen zu erklären. Mir fielen sehr anschauliche Beispiele ein, und so konnte sie mir gut folgen. Den Unterschied hat sie verstanden, die Essenz des Erwachtseins freilich nicht. Später sagte sie nur zu mir: „Du bist ja esoterisch.“ Wenn ich zum Gefühl des Beleidigtseins fähig wäre, dann wäre das die schlimmste Beleidigung für mich.

Ich stelle mir gerade Menschen vor, die sich im Erwachen befinden und noch immer ihren normalen, alten Job haben. Die haben ein völlig geteiltes Leben! Zu Hause und/oder in ihren spirituellen Kreisen leben sie das, wonach ihnen wirklich ist. (Oft nicht einmal zu Hause, wenn sie einen Partner haben, der sich nicht auf demselben Weg befindet.) In der Arbeit und im Gesellschaftsleben tragen sie eine Maske. Sie sehen sich gezwungen, eine Maske zu tragen.

Aber auch die Menschen, die ihre eigene Arbeit machen, haben mit der Gesellschaft da draußen auf vielfältige Weise zu tun. Und in der Regel setzen sie sich dabei auch ihre Maske auf. Es ist generell bei beiden Gruppen das Grundgefühl da: Ich kann nicht mit meiner Wahrheit nach draußen gehen; ich muss mich zurückhalten. Und ich glaube, dass das unterbewusst heftig an diesen Menschen nagt, weil es letztlich immer Selbstunterdrückung beinhaltet.

Vor ca. zwei Jahren wurde der Drang in mir, meine Wahrheit nicht länger zu unterdrücken, so groß, dass ich begann, immer mehr Menschen, mit denen ich öfter zu tun hatte, zu erzählen, dass ich erleuchtet war. Die Reaktionen waren natürlich überwiegend verständnislos, aber das wurde mir immer mehr egal.

Und heute halte ich nicht einmal mehr Behörden gegenüber meine Wahrheit zurück. Das ist ziemlich lustig, die Leute auf den Ämtern tun dann so, als ob sie nicht gehört hätten, was ich gerade gesagt hatte. Sie können einfach nicht damit umgehen. Was mir natürlich egal ist. wink

Kürzlich hatte ich ein Gespräch mit einer Frau von einer Consulting-Firma. Es ging darum, wie mein Dienst der persönlichen Unterstützung über Skype gewerberechtlich einzuordnen sei. Im Vorfeld des Gesprächs sollte ich einen Fragebogen ausfüllen. Ich schrieb hinein: „Ich bin erleuchtet.“ Nun ist das auch offiziell schwarz auf weiß dokumentiert. wink Im Gespräch hatte die Frau ihre lieben Probleme mit mir. Sie sagte: „Sie müssen das unter irgendeinem gewerberechtlichen Titel machen. Hier kommt nur Energetiker oder Lebens- und Sozialberater in Frage.“ Ich antwortete: „Ich bin weder ein Energetiker noch ein Lebens- und Sozialberater, und ich absolviere schon gar keine Ausbildung dafür. Ich arbeite auf der Ebene des Bewusstseins. Ich bin erleuchtet und unterstütze erwachende Menschen. Und ich tue das in jedem Fall, egal, wer da seinen Sanktus drauf gibt oder nicht.“ Mir ist schon klar, dass die Wirtschaftskammer noch keine Schublade erfunden hat, in die sie mich stecken kann.

Heute ist es mir unmöglich, meine Wahrheit zurückzuhalten, der gesamten Welt gegenüber, nicht nur gegenüber meinen Freunden, in meinen Büchern und auf meiner Website. Ich bin ein Teil dieser Welt und interagiere ständig mit ihr. Ich trage dabei keine Maske mehr, und das ist wieder einmal ausgesprochen befreiend. smiley

Das heißt natürlich nicht, dass ich ständig und überall meinen Seinszustand hinaus schreie. Ich gehe nicht ins Kaffeehaus oder in den Supermarkt und sage: „Ich bin erleuchtet!“ Aber immer, wenn ich irgendwie nach meinem Leben gefragt werde, kriegt das jeder zu hören, ob er will oder nicht.

Kuthumi hat erzählt, dass er es auf seinen Reisen durch Indien jedem erzählte. Er sagte jedem, dass er erleuchtet wäre. Er erlebte dabei unter anderem sehr unerfreuliche Dinge. Es ging so weit, dass er von einem Platz oder gar aus einem Dorf verjagt wurde. Aber er ließ sich nicht beirren. Ich lasse mich auch nicht mehr beirren, und das kann jeder tun. Du musst nicht unbedingt etwas über deinen Status der Erleuchtung sagen, aber du musst für dich selbst klar sein. „Ich bin ein spiritueller Mensch. Als spiritueller Mensch gehe ich zur Arbeit, zum Sport, ins Kino ...“ Deine Klarheit für dich selbst bewirkt, dass du alles mit einem anderen Gefühl tust und mit einem anderen Gefühl mit der Welt interagierst. Dann hast du nicht mehr zwei Welten, sondern nur eine, nämlich deine. Wo immer du bist, was immer du tust. Und das muss natürlich gezwungener Maßen Auswirkungen auf deine Erfahrungen und Erlebnisse haben.