Ich mag Begleitungen

Seit 2017 lernte ich Klienten durch den leichten Weg und durch Frantworten kennen. Wobei mir der leichte Weg, also das persönliche Gespräch, natürlich lieber war (und ist) als die Frantworten, weil ich da den Menschen sehe und höre und ein Gespräch interaktiv ist. Da kann ich natürlich viel besser auf den Menschen eingehen und gleich sehr viele Fragen beantworten, die auch spontan entstehen.

Die Frantworten haben den Vorteil, dass ich mir die Formulierung der Antwort genauer überlege und dadurch etwas anderes entsteht als bei einem Gespräch. Ich bin immer wieder erstaunt, wie umfassend ich ein Bewusstsein sehen kann, wenn es seine Frage wohl überlegt formuliert. Manchmal bekomme ich richtig lange Fragen. Ebenso erstaunt sind dann meine Klienten über den Inhalt der Antworten, wie ich den Feedbacks entnehmen kann.

Dennoch mag ich die Gespräche lieber, sie fühlen sich leichter an. Demgemäß bestellten Menschen ein paar Jahre lang fast nur Gespräche. Im vorigen Jahr war das erstmals anders, wie so vieles im vorigen Jahr anders war. Ich hatte erstmals fast so viele Frantworten wie leichte Wege, erstmals knapp mehr Männer als Frauen, erstmals fast so viele erleuchtete Klienten wie erwachende und erstmals fast so viele junge, wache Menschen wie ältere.

Ab und zu folgten auf Frantworten Folgefragen, auf die Folgeantworten folgten, und es entstand über einen Zeitraum von zwei, drei Wochen eine Art kurze Begleitung. Und damit bin ich beim Kern meines heutigen Themas.

Erst Mitte vorigen Jahres habe ich meinen Dienst Ein Monat zu zweit eingeführt. Dieser Dienst ist als Begleitung gedacht. Die Begleitung muss nicht unbedingt ein oder zwei Monate dauern, wie im Format beschrieben, sie kann irgendwas sein. Das Element der Begleitung ist, dass ich dauerhaft an der Seite des Menschen bin, den ich begleite. Das eröffnet viel mehr Möglichkeiten als ein einziges Gespräch oder eine Frage und eine Antwort per E-Mail.

Seither wollten drei Menschen von mir begleitet werden, wobei eine der drei Begleitungen gleich sieben Monate gedauert hat, mit einer Pause dazwischen. (Ich habe darüber geschrieben.) In den Jahren davor habe ich mehrmals Menschen begleitet, in einer anderen Form, in einem anderen Rahmen, aber ich habe sie begleitet. Jeweils über einen längeren Zeitraum. Die Idee zu meinem Dienst entstand also nicht im luftleeren Raum.

Nun, mittlerweile habe ich Übung in Begleitungen, und ich habe sie richtig liebgewonnen. heart Der eine Faktor ist der begleitete Mensch. Ich lerne ihn so gut kennen, wie das bei den anderen Diensten nicht möglich ist. Dadurch lerne ich nicht nur sein Leben kennen, sondern auch seine Gemütslagen, auf die ich sofort eingehen kann. Edith sagte öfters zu mir: „Du kannst gut mit mir umgehen.“ Das war natürlich angenehm für sie. Wenn mein Partner (denn so betrachte ich die Menschen, die ich begleite) in ein Loch fällt, kann ich ihn auffangen.

Der andere Faktor bin ich. Ich merke, wie ich mich ganz und gar auf meinen Partner einlasse, so wie er sich auf mich. Unabhängig davon, ob wir uns gerade schreiben oder uns unterhalten, ist er immer bei mir. Es fühlt sich an, als ob er für den Zeitraum der Begleitung ein Teil von mir wäre. Dadurch bin ich auch immer bei ihm. Und wir beide spüren das. Ich merke, wie wertvoll dieser Mensch auf einmal für mich wird. Es ist, als ob ich eine dünnwändige Glaskugel in meinen Händen hielte, mit der ich sehr behutsam umgehe, damit sie nicht zerbricht. Gleichzeitig bin ich so klar und deutlich wie nötig mit meinem Partner, auch wenn er daran zu schlucken hat. Ich achte genau darauf, was ich ihm zumuten kann und was ich ihm zumuten muss. Wenn ich das so schreibe, klingt das für mich wie ein Drahtseilakt. wink Erstaunlicher Weise ist es das aber nicht, nicht für mich, es fällt mir leicht, es geht alles ganz selbstverständlich.

Beide Faktoren gehören natürlich zusammen, sie sind unmöglich zu trennen. Und ich mag das alles, ich mag es sehr. Das ist mir in den letzten paar Wochen bewusster geworden, als es mir vor einigen Jahren schon einmal bewusst war.


Heute ist eine Begleitung zu Ende gegangen. Irene (Name geändert) hat ganz normal Ein Monat zu zweit bestellt. Da wir einander schon ein bisschen gekannt hatten, sind wir am Anfang übereingekommen, dass wir es langsamer und weniger intensiv angehen und dadurch eher Richtung zwei Monate gehen als Richtung eins. Aber nix da! Irene hatte ein Ziel vor Augen und legte ein sensationelles Tempo vor, gepaart mit der entsprechenden Intensität. Ich habe wohl ein bisschen gebremst, was ihr auch gefiel, aber letztlich siegte das Tempo. (Wenn Menschen sich das mit den Zielen bloß abgewöhnen könnten!)

Ich hatte zuvor (bei Klienten) noch nie erlebt, dass in einer Woche so viel passieren kann. Es war wirklich rasant, keine Woche war wie die vorangegangene. Ab der zweiten Woche legte Irene ihre Erleuchtung als leckeren Happen vor ihre Nase und schlich wie eine Katze darum herum. Aber sie schnappte sich diesen Happen nicht! Sie kam immer von verschiedenen Seiten – und ließ den Leckerbissen liegen. Das war der spannendste Thriller, den ich je gesehen habe. Das habe ich ihr natürlich auch gesagt,

In der dritten Woche wurde sie immer deprimierter, und ab Mitte jener Woche konnte ich sie nicht mehr erreichen. Ich spürte sie nicht mehr. Sie hatte mit ihrem messerscharfen Verstand ihr ganzes Selbst zerstückelt und zerbröselt, seziert und aufgedröselt. Dadurch hatte sie das große Ganze völlig aus den Augen verloren. Ich möchte dazu sagen, dass ein messerscharfer Verstand durchaus von Vorteil ist, es kommt nur darauf an, wofür man ihn verwendet.

Doch letztlich, kurz bevor Irene reif für einen Zusammenbruch gewesen wäre, spürte sie sich wieder selbst. Nach und nach, aber doch schnell, hatte sie wieder ihr Gefühl für sich, für ihre Göttlichkeit und für ihre Menschlichkeit, und vor allem für all die Liebe, die sie für sich selbst hat.

Gestern hat sie mir in einem Mail ihre Erlebnisse erzählt – und ich habe gejubelt. angel Sie war wieder da, sie war wieder bei sich, und damit auch wieder bei mir und den anderen Menschen in ihrer Umgebung. Wieder da heißt zum einen, dass sie nach ihrem Ausflug in die metallene Verstandeswelt wieder zu sich gefunden hatte. Zum anderen, dass sie zuvor schon bei sich gewesen war. Diesmal allerdings erfuhr sie sich in einer neuen Qualität.

Als ich ihr Mail gelesen habe, fühlte ich gleich, dass sie nun wirklich fertig war und sich wirklich gefunden hatte. Ich fühlte gleich, dass sie meinen Dienst nun nicht mehr brauchte. Nach nur drei Wochen! Das ist Tempo à la Irene. Wieder hat ein junger Vogel das Nest verlassen, weil er nun selbst fliegen kann, wieder ist ein Schmetterling geschlüpft. smiley

Neben meiner großen Freude fühlte ich eine Traurigkeit. Das ist normal, das war bei Edith nicht anders, eher noch stärker, weil wir viel länger so nahe gewesen waren. In so einer Begleitung entsteht ja eine große Intimität. Keine sexuelle Intimität, aber Intimität. Natürlich beginnen da mein jeweiliger Partner und ich, einander richtig gern zu mögen. Wenn dann einer geht, entsteht Trauer.

Nun, Trauer dauert bei mir nur ein paar Stunden, und ich genieße dieses Gefühl. Heute Morgen war da nur mehr Freude und Leichtigkeit. Am Nachmittag hatten Irene und ich unser letztes Gespräch. (Im Rahmen der Begleitung. Wir werden in anderen Kontexten sicher noch das eine oder andere Gespräch führen.) Sie war entspannt und strahlte und lachte. Ziele hat sie keine mehr, sie hat deutlich erkannt, wie absurd Ziele sind. Das wusste sie zwar auch davor, aber jetzt hat sie es überdeutlich erfahren. Sie hat auch gesehen, dass es nichts mehr zu tun gibt und wir mit der Begleitung durch sind. Die Zeit, die wir nicht verbraucht haben, hat sie als Gutschrift mitgenommen, denn es werden irgendwann sicher wieder Fragen auftauchen. Und sie hat die weiseste Entscheidung getroffen: Jetzt gibt es Leben und Spaß haben und Singen und Tanzen. yes


Durch diese letzte Begleitung ist mir aufgefallen, wie sehr ich Begleitungen mag. Zum ersten Mal wurde mir das im Jahr 2012 klar. Da begleitete ich einen Menschen ein Dreivierteljahr lang, und ich wurde Zeuge, wie sehr ihm das in jeder beliebigen Lebenssituation geholfen hat. Das war damals sehr locker, weil wir persönlichen Kontakt hatten und uns nach Belieben einfach in seinem Wohnzimmer unterhielten.

Und da entstand auch die Idee, dass ich einen Menschen einmal gerne ein ganzes Jahr lang begleiten würde. Ich merke immer wieder, das der Jahreszyklus der Natur auf Menschen wirkt. Zu verschiedenen Jahreszeiten werden verschiedene Themen sichtbar. Diese Erfahrung einer Jahresbegleitung habe ich noch nicht gemacht. Ich weiß auch nicht, wie realistisch das ist, denn spätestens seit Edith weiß ich, dass Entwicklungen, die normalerweise mehrere Jahre dauern, mit einer guten Begleitung in ein paar Monaten ablaufen können. Naja, Edith hat aber auch sehr schnell verstanden.

Wie auch immer. Ich mag Begleitungen und bin jetzt bereit für die nächste. smiley