Diese menschliche Liebe

Dieser Beitrag handelt von der menschlichen Liebe, die sich auf eine andere Person bezieht. Diese menschliche Liebe sehnt und strebt immer, sie strebt nach Erfüllung. Und Erfüllung bedeutet hier, dass die Liebe erwidert wird. Die menschliche Liebe will also gar nicht lieben, sondern geliebt werden. Sie will Liebe von einem anderen Menschen haben. Ein Mensch trifft auf einen anderen Menschen, den er faszinierend oder beeindruckend findet, und verspürt in sich so etwas wie Liebe. Bis hierher ist alles OK. Aber die menschliche Liebe sagt dann: „Ich will, dass du mich liebst, so wie ich dich liebe. Ich will, dass du mich brauchst, so wie ich dich brauche.“ „Ich will dir nahe sein“ heißt in Wahrheit „ich will, dass du mir nah bist“. „Ich will dass du dasselbe für mich empfindest wie ich für dich.“ Die menschliche Liebe ist also geprägt von riesigen Erwartungshaltungen an einen anderen Menschen.

Mit anderen Worten, die menschliche Liebe ist dual. Sie braucht ein Gegenüber, um existieren zu können, sie braucht einen Adressaten. Sie definiert sich nur über die Spiegelung im Gegenüber, sie kann nicht nur aus sich selbst heraus existieren. Sie fragt: „Bin ich liebenswert? Werde ich geliebt, so wie ich mir das wünsche?“ Usw.

Erwachende Menschen stimmen sofort zu, wenn sie hören, dass Macht eine Illusion ist, weil Macht ein Gegenüber braucht, also dual ist. Sie befreien sich Stück für Stück von Macht. Und was machen sie in der Liebe? Sie leben weiter die Dualität und halten sie fest, so gut sie nur können. Dabei haben die menschliche Liebe und Macht enorm viel miteinander zu tun.

Liebe gehört zu den schönsten und wundervollsten Dingen, die ein Mensch erleben kann. Ich verliebe mich sehr oft, nicht nur in mich selbst. Wenn ich mich verliebe, spüre ich Liebe, nämlich meine Liebe. Ich spüre, wie viel Liebe in mir vorhanden ist, sie ist unendlich. Der andere Mensch (am häufigsten natürlich eine Frau oder ein Kind) ist der Katalysator, der in mir die Resonanz der Liebe, meiner Liebe, ausgelöst hat. Ich will auch überhaupt nichts von diesem anderen Menschen, ich will ihn zu nichts bewegen, ich will nichts von ihm haben, ich sehne mich nicht nach ihm, und ich brauche schon gar keine Erwiderung von irgendwas. Ich genieße die Liebe. Wenn dieser Mensch in meiner Nähe ist, genieße ich sein So-Sein.
Wenn all den Menschen, die sich so an diese menschliche Liebe klammern, nur bewusst wäre, dass sie immer ihre eigene Liebe spüren! Alle Probleme, die durch die menschliche Liebe entstehen, wären mit einem Schlag weg.

Vor ca. 15 Jahren hatte ich meine Tanzphase. Ein paar Jahre lang wollte ich tanzen und es immer besser lernen. Ich suchte im Internet nach Tanzpartnerinnen und fand auch einige. Zunächst traf ich mich mit ihnen, um herauszufinden, ob wir einander sympathisch waren, ob wir uns verstanden. Das ist beim Tanzen schon wichtig, denn man kommt einender nicht nur körperlich sehr, sehr nah. Man muss schon harmonieren. Zunächst sahen das meine Partnerinnen genauso und stimmten mir zu. Nach einiger Zeit geschah aber immer dasselbe (bis auf eine Ausnahme), sie verliebten sich in mich, auf die menschliche Art. Das heißt, sie wollten mehr von mir. Genau, sie wollten etwas von mir haben. Wie ich es eingangs beschrieben habe. Sie konnten nicht einfach genießen, dass unser Tanzen so schön und freudvoll war, dass ich ein guter Tänzer und witzig und charmant war. Nein, sie entwickelten schnell eine Agenda mich betreffend. Ich hingegen habe unser Zusammensein immer in vollen Zügen genossen. Ich habe mich riesig gefreut, dass wir so gut miteinander tanzen und auch sonst Zeit verbringen konnten. Es ging mir nicht um das Thema Sex. Wir hätten Sex haben können, aber ich wusste, wohin das im Kontext der menschlichen Liebe führen würde: zu immer mehr Wollen, mehr Fordern, versuchter gegenseitiger Einflussnahme, also letztlich zu Abhängigkeit. Also vermied ich Sex (obwohl manche Tänze schon fast ein sexueller Akt sind). Und so endeten unsere Tanzbeziehungen immer. Statt der ganzen großen Freude und des Genusses gab es dann gar nichts. Na großartig!

Die menschliche Liebe ist mehr eine zerstörerische Kraft als eine kreative. Man braucht sich doch nur durchschnittliche Partnerschaften anzuschauen. (Und es sind fast alle Partnerschaften durchschnittlich, weil fast alle dieser menschlichen Liebe entspringen.) Da sind ständig die Erwartungshaltungen an den anderen, die einen enormen Druck erzeugen. Wenn sie nicht erfüllt werden, folgen Sanktionen. Wenn ein Partner einmal etwas anderes tut, oder schlimmer noch, etwas anderes in sich fühlt, als den üblichen, erzwungenen Einklang, dann fragt der andere gleich: „Was ist los mit dir? Was hast du? Liebst du mich nicht mehr? Was ist denn jetzt auf einmal anders als bisher?“ Diese Fragen sind lauter verdeckte Anschuldigungen.

Diese menschliche Liebe strebt nach Kontrolle, und sie engt ein. Sie raubt beiden Beteiligten die Freiheit und wirkt dadurch zerstörerisch. Auch bei den Menschen, die glauben, einander den benötigten Freiraum zu lassen. Sie ist nicht lebensbejahend sondern lebensfeindlich, für alle Beteiligten. Sie ist – früher oder später – das Ende von Freude und Genuss, das Ende von Liebe.

Ich habe einmal einen Mann kennen gelernt, der vieles sehr gut beobachtet hatte. Eine Sache hat er sehr gut auf den Punkt gebracht. Er sagte, der Satz bzw. der Gedanke „ich will, dass du ...“ sei Gewalt. Natürlich gibt es viele harmlose Fälle, aber letztlich hatte er natürlich recht. Die menschliche Liebe sagt sehr, sehr oft „ich will, dass du ...“. Auch in den allerersten Anfängen der Verliebtheit.

Unter den häufigsten Mordmotiven steht Liebe an erster oder zweiter Stelle, ziemlich gleichauf mit Geld. Bei den Gründen für empfundenes Unglück steht die menschliche Liebe ganz ohne Zweifel an erster Stelle. Und selbst sehr bewusste, ja sogar erwachte Menschen halten sehr lange an dieser menschlichen Liebe fest und berauben sich dadurch selbst ihrer Freude, ihrer Freiheit und ihrer Souveränität.

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