Das Leben ist keine Erfolgsgeschichte

Vor einigen Tagen habe ich von einer Shaumbra ein Mail erhalten, in dem sie unter anderem dies schrieb:

[…] Diese Plattform ist eine gute Idee und ich hoffe, wir werden viel Freude haben. Ja, sicher, werden wir das.
ICH werde mich im Moment noch zurückhalten, weil ich gerade viel Zeit für
mich brauche. […]

Und da schoss es mir wieder durch den Kopf, was ich von einigen Shaumbra kenne, unter anderem auch von mir selbst. Zurück halten, zurück ziehen, nicht hinaus gehen, möglichst alles mit sich selbst ausmachen ….

Ich weiß natürlich nicht, warum sich die zitierte Shaumbra zurück hält. Sie hat sicher ihrer guten Gründe dafür. Aber ich weiß, wie ich mich gefühlt habe mit meiner Zurückhaltung. Nämlich in Wahrheit schlecht. Mein stärkstes Motiv, mich zurück zu halten, war Scham. Ich schämte mich, meine Probleme und vermeintlichen Schwächen nach außen zu tragen. Wie stehe ich denn da, wenn ich zugebe, dass ich mich nicht von der Stelle rühre? Wenn ich zugebe, dass es mir nicht gelingt, zu erschaffen, was ich will? Wenn ich zugebe, dass ich immer wieder Geldprobleme habe? Kurzum, wenn ich zugebe, dass es bei mir nicht so läuft, wie es bei einem Shaumbra laufen sollte? Dann gebe ich ja zu, dass ich offensichtlich kein Standard der Neuen Energie bin! Was für eine Schande!

Und die Angst, dass andere über mich lachen oder mich gering schätzen könnten. Ah, der kriegt ja nichts auf die Reihe! Schlimm genug, dass es mir geht, wie es mir geht, da brauche ich nicht auch noch die Blicke und Kommentare der anderen. Nein, nein, da bleibe ich lieber in meinem Schneckenhaus und verschwende Unmengen von Energie darauf, meine Identität aufrecht zu erhalten. Und die Scham bringt mich um. Und die Identität steht mit Zementfüßen zwischen mir und mir. Und dann? Wie soll das weiter gehen? Schlecht bis gar nicht.

Schließlich tauchte immer quälender eine Frage auf: Wie soll ich mir gegenüber offen sein, wenn ich mich der ganzen Welt gegenüber verschließe? Der Widerspruch ist schon in der Frage enthalten. ;-) Und wie ihr wisst, habe ich beschlossen zu sterben. ;-) Sprich, meine Identität samt ihrer Scham sterben zu lassen. Oh, das tat ich früher schon, ich kann mich nicht erst seit einigen Tagen öffnen. Kürzlich folgte aber der letzte Rest, konsequent.

Ich kann euch erzählen, wie es mir beim Öffnen geht.

  • Es ist befreiend! Die Schamgrenze zu überschreiten, ist ungemein befreiend. Kaum steht auf dem Papier, was da so in mir ist, und kaum habe ich mich dazu entschlossen, es zu veröffentlichen, gibt es keine Scham mehr. Und dann bin ich freier.
  • Es ist erhellend. Durch das Ausformulieren all dessen, was da so in mir herum geistert, komme ich auf Dinge drauf. Auf Zusammenhänge, auf Ursachen, auf Widersprüche usw. Interessanter Weise rückt der Verstand beim Schreiben völlig in den Hintergrund. Er ist ausschließlich damit beschäftigt, die richtigen Worte zu finden, die Tastatur zu bedienen und ähnlichen Kleinkram zu verrichten. Aber er ist nicht mit meinem „Problem“ beschäftigt. An die Stelle des Verstandes trete ich. Und ich zeige mir beim Aufschreiben, wie die Sache wirklich läuft.
  • Ich öffne mich wirklich. Für andere und für mich. Und für Hilfe von anderen. Andere schreiben vielleicht einen Kommentar, der mir weiter hilft. Oft ist es ein versteckter Halbsatz irgendwo. Letztlich hilft jeder Kommentar.
  • Ich freue mich darüber, dass ich etwas beitrage. Denn in meinen Geschichten stecken auch Halbsätze, die jemand anderem weiter helfen.
  • Mit jedem Mal, wo ich mich öffne, stelle ich fest, dass niemand sich darüber lustig macht. Und wenn doch, ist es mir mittlerweile egal. Aber es passiert nicht. Nicht einmal bei Nicht-Shaumbra. Aber bei Shaumbra schon gar nicht. Sie verstehen mich, so wie ich sie verstehe.

Das Leben ist keine Erfolgsgeschichte. Wir haben alle unsere Herausforderungen, wir alle stolpern, bleiben stehen, sind manchmal blind und wissen nicht weiter. Ja und? So ist das! Wer versteht das besser als Shaumbra?

Oh ja, ich kann viele Erfolgsgeschichten erzählen. Ich bestehe nicht nur aus Problemen. Aber ich habe mich entschieden, zuerst über meine Schwierigkeiten zu schreiben. Nicht nur weil mir das gut tut. Sondern zunächst einmal deshalb, um auch andere Shaumbra zu ermutigen, einen Schritt vor ihr Schneckenhaus zu wagen. Unsere gemeinsamen Erfahrungen sind wirklich unser größter Schatz. Der ist riesengroß. Wollen wir ihn ungenützt lassen? Wollen wir uns dann noch weiterhin wundern, warum wir Probleme mit Fülle haben, wo wir doch unserem größten Schatz den Rücken kehren?

Ich bin wenigen Shaumbra begegnet, die auf mich so wirken, als ob es für sie keine Herausforderung mehr gäbe, die alles schon bewältigt haben. Da kommt es mir manchmal so vor, als verstünden sie gar nicht mehr, worüber die anderen reden. Das Gefühl kenne ich. ;-) Wenn ich manchmal Menschen des Massenbewusstseins über ihre Probleme reden höre, weiß ich oft auch im ersten Moment nicht, worüber sie sprechen und wo das Problem liegt. Ich brauche dann einige Zeit, um mich da hinein zu denken und hinein zu fühlen. Wie schön wäre es, wenn ihr, die ihr so weit gekommen seid, eure Erfahrungen mit uns teiltet! Sie würden andere ermutigen, die nächsten Schritte zu gehen. Ihr seid doch Lehrer! Ihr lehrt andere Menschen durch eure Arbeit und euer Dasein. Ihr könnt auch Shaumbra lehren.

Ich bin sicher, dass das alles noch kommen wird. Shaumbra, alle Shaumbra, werden sich mehr öffnen. Diese Plattform gibt es seit knapp vier Wochen. In diesen vier Wochen ist einiges geschehen. (Einen Überblick darüber gibt’s im nächsten Newsletter.) Doch dieses Mail stieß mich förmlich dazu, wieder einmal zu sagen, warum ich diese Plattform mache: Weil ich weiß, dass das Öffnen und Teilen und Beitragen viel, viel, viel, viel mehr bringt als das In-sich-Zurückziehen.

Was braucht es wirklich, um den Neuen Weg zu gehen? Mut und Verrücktheit. smiley

Glossar

Kommentare

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Hallo Reiner.
Das gibt es doch gar nicht...lach. Dein Artikel ist wie eine Antwort.
Ich musste mich schon sehr öffnen um hier zu schreiben und mich aus meiner Deckung heraus zu wagen. Gestern wollte ich auch schreiben und es überflutete mich eine Welle der Scham. So offensichtlich kenne ich das gar nicht mehr eher ganz leise und sanft. Ich konnte nichts schreiben. Ich ließ es und fühlte in mich hinein. Ich schämte mich hier so zu sein wie ich bin. Ich bin gar nicht so groß wie ich denke und alle anderen werden es merken.
Ich sah mich innerlich selbst weinen und nahm mich selbst in den Arm und versprach mir mich nie wieder so klein zu machen. Ich sagte der Scham ich brauche sie nicht mehr. Ich bin jetzt so wie ich bin und liebe es. Ich liebe mich da ist kein Platz mehr für Scham. Darum schreibe ich es auch hier um es auszudrücken.
Liebe Grüße Ramona

Antwort auf von Ramona Rose

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Hallo Ramona,
weißt du, auch nach dem Entdecken der Scham wird sie dann und wann wieder aufflackern. Leiser wahrscheinlich, nicht so dominant, aber sie wird gelegentlich auftauchen. Du hast allerdings das Schlüsselwort bzw. den Schlüsselsatz schon geschrieben:
"Ich bin jetzt so wie ich bin und liebe es."
Damit erledigst du alle auftauchenden Widrigkeiten. :-)
Liebe Grüße
Reiner