Gestern waren in Österreich Parlamentswahlen. Klar gewonnen hat die FPÖ, die oft mit der deutschen AfD und der schweizerischen SVP verglichen wird. Die ÖVP, vergleichbar mit der deutschen CDU/CSU, hat sehr stark verloren. Die Sozialdemokraten waren katastrophal schlecht, die bisher mitregierenden Grünen haben stark verloren, werden der nächsten Regierung nicht mehr angehören und wurden von den NEOS überholt. Die NEOS sind eine liberale Partei, die es seit 2012 gibt und sie summa summarum eher dem linken Flügel zugerechnet wird, obwohl sie wirtschaftspolitisch klar wirtschaftsliberal ausgerichtet sind.
Die FPÖ unterscheidet sich aus meiner Sicht deutlich von der AfD, obwohl die beiden sich selbst Schwesterparteien nennen. Erstens ist sie viel älter. Ihre Wurzen liegen im deutschnationalen Lager der Monarchie des 19. Jahrhunderts, was die erste und lange Zeit die einzige demokratische Kraft in Österreich war. Weiters war sie schon mehrmals in einer Regierung und ist aktuell in mehreren Landesregierungen. Sie war in der Vergangenheit mehrmals durch „braune Sager“ aufgefallen, die ich immer als ungustös empfunden habe, die sich aber nie politisch manifestiert haben. Die „braunen Sager“ gibt es heute nicht mehr. Ihnen wird vorgeworfen, undemokratisch und rechtsradikal zu sein. Ich sehe für beides nicht die geringsten Anzeichen, in ihrer Regierungstätigkeit war und ist ebenfalls nichts davon zu bemerken.
Gut, das waren die Vorbemerkungen, damit du ungefähr nachvollziehen kannst, wie die Lage in Österreich ist. Ich gehe im weiteren nicht auf politische Details ein, sondern wende mich einem Aspekt des Massenbewusstseins zu. Und zwar nicht nur des Massenbewusstseins in Österreich, sondern dem vom gut und gerne halb Europas.
Seit dem Jahr 2020 frage ich mich immer mehr, was hinter der Verteufelung der rechten Parteien steckt. Wohlgemerkt, ich spreche von rechten Parteien, nicht von rechtsextremen oder gar radikalen Partien. Rechtsextreme Parteien hat es über lange Zeit durchaus gegeben, aber ich habe den Eindruck, dass die weitgehend ausgestorben sind. Siehe die Wandlung in Frankreich vom Front National zum Rassemblement National. Marine Le Pen hat ihren rechsextremen Vater Jean-Marie aus der Partei rausgeworfen. Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni wurde als Postfaschistin bezeichnet, ich höre diesen Ausdruck immer seltener. In Italien ist man anscheinend mit ihrer Politik zufrieden.
Genau genommen geht es mir nicht um rechte Parteien, sondern um das Bewusstsein, dass rechts grundsätzlich schlecht und abzulehnen ist und keinesfalls akzeptiert werden darf. Während der Coronazeit und danach hat diese Haltung begonnen, mich zu stören. Denn recht schnell war sehr viel und sehr viele rechtsextrem, rechtsradikal, Faschisten und Nazis. Ganz schön harte Keulen. (Ich habe darüber geschrieben.)
Vor ein paar Jahrzehnten hat man alles Politische in links und rechts eingeteilt. Also Parteien wie die CDU und die ÖVP waren rechts, SPD und SPÖ links. Zeitungen wie der Kurier und die Presse waren rechts, andere links. Wirtschaft war rechts, Arbeitnehmerangelegenheiten links. Wobei mir schon vor Jahrzehnten aufgefallen ist, dass sich die Linken gerne geriert haben, als ob sie die Wahrheit gepachtet hätten, was heute um ein Vielfaches stärker ist. Folgerichtig sind die ehemals rechten Parteien nach links gerückt, damit sie keine rechtsextremen Parteien Mehr waren. Beispielsweise war die Politik von Angela Merkel oft nicht mehr von grüner Politik zu unterscheiden.
Mich hat die Etikettierung als Faschist und Nazi eine Zeit lang durchaus gestört, weil ich das nicht einmal annähernd bin. Ich betrachte das gesamte politische System sehr kritisch, wonach ich schon Faschist und Nazi bin. Als erleuchteter Mensch bin ich sowieso ein Ungeheuer. Wir haben wieder eine Zeit der Hexenverfolgung.
Zurück zur Wahl. Gestern Abend wurde mir durch einen Kommentar eines Journalisten aus Deutschland schlagartig bewusst, worum es bei der ganzen Hexenverfolgung geht: um Angst. Und zwar nicht um die Angst, rechte Parteien könnten restriktive Regime installieren. Ja, manche Menschen mögen das empfinden, aber das wird nicht passieren. Es geht um eine Angst, die ein, zwei Ebenen tiefer sitzt. Es ist die Angst, dass gewohnte Ordnungen auseinander fallen und die Menschen dann nicht wissen, woran sie sich orientieren sollen. Die Ablehnung von rechts gibt vielen Menschen Halt. Es wird dadurch ein System gezeigt, in dem alles seinen Platz hat. Gut ist gut und böse ist böse. Dieses System bröckel nicht nur, es fällt gerade in sich zusammen. Machtgefüge werden stark verschoben, immer mehr wird immer schneller hinterfragt und angezweifelt. Die Jugend hat keine Angst, sie gießt noch Öl ins Feuer. Die Jugend wählt seit kurzem mehrheitlich nicht mehr grün, sondern blau. FPÖ und AfD haben die jüngsten Wähler.
Sofort nach meiner Erkenntnis ist mir die Fernsehshow eingefallen, an der ich vor vielen Jahren einmal teilgenommen habe. Ich hatte dort mit Abstand die kürzeste Redezeit und habe mit Abstand die stärksten Reaktionen ausgelöst. Da gab es einen Punkt, an dem eine Frau, die die Rolle einer Art geheime Co-Moderatorin hatte, etwas starkes gegen mich gesagt hatte, und wo ich ruhig antwortete. Und da spürte ich eine große, starke Angstwelle durchs Publikum brausen. Diese Welle aus starker Angst hat gesagt: „Wenn das stimmt, was Reiner sagt, heißt das, dass mein ganzes Leben eine Illusion ist.“ Das können Menschen natürlich nicht zulassen, also haben sie mich abgewehrt. Was sie aber nicht daran gehindert hat, nach der Show in großer Zahl zu mir zu kommen. Sie wollten mich nicht kritisieren und über mich her ziehen, sie wollten mich einfach kennenlernen.
Es geht also um die gro0e Angst vor tiefgreifenden und weitreichenden Veränderungen. Erwachende Menschen braucht das nicht zu beunruhigen, sie kennen diese Angst schon längst aus ihrem eigenen Leben und wissen, dass diese Angst kein Ungeheuer ist. Es ist die Angst des Kokons vor dem Leben als Schmetterling.