Die andere Perspektive

Manchmal, in der Regel nachts, stehe ich mit einem Schlag ganz woanders. Mit nachts meine ich nicht im Schlaf. Ich sitze in meinem Fauteuil oder liege wach im Bett und sehe plötzlich Menschen und Situationen aus einer ganz anderen Perspektive. Ich stehe dann dort, wo die Meister stehen, Tobias, Adamus, Kuthumi und all die anderen. Von da aus schaue ich auf die Menschen und Situationen.

Vor ein paar Wochen sah ich auf die Menschen insgesamt. Ich sah, was sie tun und womit sie sich herum schlagen. Ich sah alles, ihr Alltagsleben, die Dinge, die Menschen als gut und großartig bezeichnen, und die Gräueltaten, die Verbrechen. Das Wunder dieser Perspektive ist, dass es von da aus keine Bewertung gibt. Es gibt nur Liebe, Verständnis und Mitgefühl. Ich meine, etwas anderes ist von dort aus gar nicht möglich, es geht nicht. Wenn ich dort bin, kann ich meinen Verstand, der noch immer da ist, aber ganz anders, gar nicht in die Richtung einer Bewertung bringen. Diese Möglichkeit gibt es dort nicht. Es gibt nur das mitfühlende Ansehen dessen, was ist.

Heute möchte ich jedoch weniger auf jene Erfahrung eingehen, die auch schon ein bisschen verblasst ist, als mehr auf die, die ich vor ein paar Tagen hatte. Ich saß auf meinem Thron (wie Joya dieses Sitzmöbel nennt), war ganz ruhig und dachte an ein paar Dinge. Und plötzlich war ich dann wieder an diesem anderen Ort. Ich sah die Shaumbra mit Fülle-Thema. Oder besser gesagt Mangel-Thema. Ich sah, was sie tun. Nicht mit ihrem Thema, sondern insgesamt.

Ich sah einfach nur ihrem großen Mut und ihr starkes Sehnen. Sie wissen, dass sie dieses Thema haben. Dennoch lassen sie sich dadurch nicht davon abhalten, das Leben, das sie geführt hatten, hinter sich zu lassen und zu völlig neuen, unbekannten Ufern aufzubrechen. Sie wissen oder hoffen, dass es da noch etwas anderes gibt, etwas Besseres, Schöneres. Und sie gehen einfach weiter. Sie pfeifen auf ihr Thema und gehen weiter. Sie leiden unter ihrem Mangelthema, in dem sie dann voll drin sitzen, und gehen trotzdem weiter. Da ist eine innere Kompassnadel, die die Richtung vorgibt. Diese Richtung wird beharrlich und konsequent eingeschlagen.

Damit nicht genug. Auf ihrem Weg, der wahrlich oft steinig ist, haben diese Menschen in vielen anderen Bereichen etwas erkannt. Und das, was sie da erkannt haben, wollen sie unbedingt teilen. Sie wollen es unbedingt weitergeben. Sie wünschen sich, dass andere Menschen von diesem Wissen profitieren. Da gibt es das eigene große Unwissen bezüglich des Mangelthemas, das ihr Leben oft bitter macht. Aber das andere Wissen möchten sie den Menschen geben. Da, wo sie selbst schon große Fortschritte gemacht haben.

Die Menschen, die ich sah, leben unter dem Existenzminimum. Sie sind mittlerweile Meister darin geworden, mit praktisch nichts auszukommen. Und sie gehen weiter und helfen anderen. Ich sah das nicht wertend, wie ich ja schon schrieb, ich singe kein Loblied auf diese Menschen, ich mache keine Helden, schon gar keine Märtyrer aus ihnen. Ich erzähle einfach, was ich erlebt habe. Ich konnte sie nur lieben, ich hatte tief empfundenes Mitgefühl (kein Mitleid!), und ich empfand den allergrößten Respekt. Ich zog meinen Hut vor ihnen.

Ich gehörte selbst immer wieder zu diesen Menschen, aber ich sah nicht mich, ich sah nur die anderen. Da ich selbst ja an einem anderen Ort stand und auf die Menschen schaute, sah ich mich dort nicht. Ich war ja woanders. Das war auch bei der älteren Erfahrung so.

Dieser Ort und diese Perspektive sind wirklich großartig. Ich weiß einfach, dass das der Ort der Meister ist, ihr Blickwinkel. Wenn ich dort bin, bin ich aber nicht weg. Ich bin mit allen physischen Sinnen 100%ig auf der Erde, in meinem Häuschen. Ich nehme hier alles wahr wie immer. Ich bin nicht in dem Sinn in einer anderen Dimension, dass ich da nichtphysische Wesen sehen würde, andere Farben und Energien. Ich höre auch keine Sphärenklänge. Nichts dergleichen. Ich bin voll da, und doch ganz woanders. Es ist, als ob ich von einem anderen Planeten aus auf die Erde schauen würde. Von diesem Ort kann ich nicht so auf die Menschen schauen, wie ich es als Mensch üblicher Weise tue. Ich habe eben eine völlig andere Perspektive.

Von dort aus sehe ich irgendwie mehr. Ich sehe umfassender, globaler, irgendwie auch klarer. Andererseits sehe ich von dort auch weniger. Ich kann dort nicht mit Menschenaugen auf eine Situation schauen. Das heißt, ich sehe, was ein Mensch tut, auf sehr umfassende und klare Weise. Ich sehe aber nicht, was das in ihm auslöst. Ich sehe nicht seine Probleme. Mit anderen Worten, ich bin nicht involviert und kann mich auch nicht involvieren. Und aus dieser Perspektive gibt es dann eben nichts anderes als Liebe und Mitgefühl.

An diesem Ort gibt es noch etwas Wichtiges und Besonderes. Von dort aus verstehe ich die Meister. Ich sehe, wie sie uns sehen. Ich verstehe ihre Ratschläge, denn aus dieser Sicht muss man solche Ratschläge geben. Es sieht alles so einfach aus. Es ist dort auch so einfach zu sagen, „mach dir nichts draus“ oder „es hat keine Bedeutung“ und ähnliches. Weil es so ist, aus dieser Perspektive. Da ich aber auch meine menschliche Perspektive habe, sehe ich auch, was die Meister nicht sehen. Dann sehe ich das enorme Konfliktpotential in der Kommunikation zwischen den Meistern und uns. Sie sehen unseres nicht, wir sehen ihres nicht. Dann kommt der Verstand und versucht zu kitten. Und wenn wir in der Lage sind, ihres zu sehen, sehen sie noch immer nicht unseres. Da entsteht Unverständnis und Reibung.

Und deshalb ist es so enorm wichtig, was Tobias schon vor Jahren gesagt hat. Wir Menschen sollen hier lehren, nicht die Meister. Es ist wirklich so. Ein hier inkarnierter Mensch, der schon ein Stück des Weges zurückgelegt hat, kann anderen Menschen ungleich besser dienen als ein Meister auf der anderen Seite. Ich meine, die Meister des CC haben wirklich Unglaubliches geleistet. Sie sind uns sehr nah gekommen und konnten mehr Verständnis aufbringen als andere. Ich kann jetzt sehen, dass das keine einfache Aufgabe ist. Und ich verstehe jetzt Adamus sehr, sehr gut, wenn er sagt, wir sollen zu ihm kommen, nicht immer er zu uns, weil das sehr anstrengend für ihn ist. Wir bräuchten ihn aber gar nicht auf diese Weise, wenn wir mehr uns selbst und anderen lebenden Menschen vertrauen würden und nicht so auf seine Aussagen fixiert wären. So nah er uns auch kommt, er kann noch immer nicht durch unsere Augen sehen. Er kann es erahnen, mehr nicht.

Beim Schreiben fiel mir auf, dass ich diese Perspektive bereits seit ein paar Jahren kenne. Früher war meine Wahrnehmung nicht ganz so klar wie jetzt. Und in letzter Zeit war sie häufiger. Diese Perspektive ist ein wahrer Turbo für mein Verständnis und meine Klarheit. Aber allein mit ihr käme ich wenig weiter. Meine menschliche Perspektive ist für das Leben hier unerlässlich. Bis jetzt konnte ich diesen Ort nicht bewusst wählen. Ich war plötzlich dort. Da habe ich dann schon bewusst gewählt, dort zu bleiben und die Erfahrung zu machen, ich hätte wieder weggehen können. Wollte ich aber nicht. Doch ich freue mich schon darauf, bewusst und vorsätzlich auf diesen „Planeten“ zu gehen. Und ich freue mich auch darauf, mich selbst von dort aus sehen zu können. Das alles kann nur eine Frage der Zeit sein. smiley