Forum: Das Ende der Welt

So geht's mir gerade. Es ist das Ende meiner Welt.

Permalink

Der Mensch wird Stück für Stück demontiert. Nicht abrupt, aber zügig. Im Grunde geht das bei mir schon seit Jahren. Seit letztem August zügig, und seit heuer ist es ernst. Die Demontage ist gnadenlos, meine menschlichen Bedürfnisse werden nicht mehr berücksichtigt. Es ist, als ob mir Arme und Beine amputiert werden, Zug um Zug. Unfähig zu handeln und unfähig zu gehen. Es fühlt sich an wie sterben. Ja, ich sterbe gerade bei lebendigem Leib. Das wird auch von ein paar körperlichen Beschwerden begleitet. Aber nicht heftig, zumindest noch nicht. Alles in allen Lebensbereichen ist zu einem Ende gekommen. Es ist das Ende meiner Welt.

Interessanter und bemerkenswerter Weise werden meine Sorgen über die Katastrophe täglich weniger, und es wächst eine Gewissheit. Ich staune sehr darüber. Aber es fühlt sich alles sehr, sehr schrecklich und furchteinflößend an. Mein Verstand malt Teufelsbilder an die Wand.

Permalink

Gebrochen, wollte ich sagen. Der Mensch wird gebrochen, konsequent und gnadenlos. „Demontiert" stimmt auch, aber „gebrochen" drückt präziser aus, was ich fühle, was ich erlebe.

Heute habe ich bis jetzt wieder etwas Überraschendes erlebt. Also schon seit einiger Zeit, im Grunde seit Jahresbeginn, bin ich immer mehr zu dem Schluss gekommen, dass mein Leben im Arsch ist, dass ich am Ende bin. In den letzten paar Tagen sind täglich Hiobsbotschaften gekommen, die das Ende meiner Welt eingeläutet haben. Bis heute, jetzt kann eigentlich nichts mehr kommen. Und heute habe ich plötzlich einen unglaublichen Optimismus verspürt! Ich war vielleicht überrascht. surprise Ich habe den totalen Zusammenbruch, das Ende meiner Welt, als Neubeginn erfahren. Ich habe keine Ahnung, woraus das Neue besteht und wann es kommt - und ob es überhaupt kommt. Aber ich habe diesen Optimismus erlebt. Und ich habe mich auf das Neue gefreut. Heute haben nicht die Teufelsbilder überwogen, von denen ich gestern geschrieben habe, sondern die Freude auf das Neue.

Dies hier ist ein Tagebuch des Sterbens, falls es euch noch nicht aufgefallen ist. Ich weiß nicht, wie lange ich es schreibe, wie lange ich es überhaupt schreiben kann. Ich weiß nicht, wie meine Geschichte ausgehen wird. Im Moment tut es mir gut, es aufzuschreiben.

Lieber Reiner
Nun lese ich das hier und verstehe nicht. Oder vielleicht will ich nicht verstehen.
Was für Hiobsbotschaften? Möchtest du erzählen, was geschehen ist?

Ich umarme dich.. ganz fest. Und ich bin hier.

Permalink

Wenn du selbst dein eigenes Sterben noch nicht erlebt hast, ist es kein Wunder, dass du nicht verstehst. Dann kannst du nur lesen, was ich darüber berichte. Irgendwann einmal wird das für einige Menschen hilfreich und tröstlich sein.

Permalink

In den letzten Tagen hat so gut wie alles seine Bedeutung verloren. Ich war überrascht zu sehen, wie viele Dinge eine Bedeutung hatten. (Dinge nicht nur im physischen Sinn.) Also für meine Verhältnisse viele. Wo doch in Wahrheit fast nichts eine Bedeutung hat. Nichts, wovon der Mensch glaubt, es hätte eine.
Ich habe gesehen, wie sehr ich festgehalten habe. Nicht an vielem, daran aber richtig. Seit Tagen findet in mir ein großes Loslassen statt. Mit jedem Loslassen wächst ein innerer Friede.

Ich habe gesehen, wie viel ich in den letzten Jahren als Mensch steuern wollte. Und wie ich mich seit Jahren selbst begrenzt habe. Und dass ich das eigentlich gar nicht wollte. Und dass ich in Wahrheit immer darunter gelitten habe.
Damit ist jetzt Schluss. Seit letztem August lässt mich meine Göttlichkeit nichts mehr steuern. Aber erst seit ein paar Wochen habe ich so richtig realisiert, dass ich gar nichts tun kann, dass ich zu 100% machtlos bin. Als Mensch. Der Mensch, der das machtlose Leben gewählt hat, erlebt nun seine Machtlosigkeit. Was eigentlich ein Segen ist, aber für den Menschen eine bittere Pille. Von August bis Mitte Jänner hat er noch gestrampelt, der Mensch. Jetzt hat er aufgegeben und stirbt.

Zur Bedeutungslosigkeit ist mir gleich ein Lied in den Kopf gekommen. „Nothing else matters". Für mich eine der besten Nummern überhaupt, auf jeden Fall eine der am öftesten gecoverten. „Forever trust in who we are" singt er da. Ich ändere das in meinem Kopf immer in „Forever trust in who I am". Das ist oft nicht leicht, aber es fühlt sich gut an.

Schön ist's wenn's einem so gleichgültig wird. Es ist schon seltsam, auf den ersten Blick würde man meinen, dass es sich um Teilnahmslosigkeit handeln würde und in einer gewissen Perspektive stimt das sogar, doch dem ist nicht so.
Die Story meines Lebens, als Plot im Hinterkopf, durch Emotionen ausgedrückte, wahrgenommene, lebendig gewordene Gedanken. Ich hör sie, seh sie, nehm sie bewusst "wahr" und gleichzeitig ignorier ich sie auch. Da trifft sich wieder einmal die Begrenzung der Sprache in ihrem Ausruck mit dem was du als Ebene 4 des Wissens beschreibst. Es lässt sich kaum hinreichend beschreiben, ist jedoch in der kürze eines Augenblicks erfahrbar. Heute Morgen war ich z.Bsp. heiter und fröhlich. Aus dem unmittelbaren Abriss meiner menschlich weltlichen Lebensumstände scheint dies zunächst keinen Sinn zu machen. Doch es kam eben nicht aus jener Sphäre, sondern weitaus umfassender und tiefer miteinbezogen aus Meiner Welt, über die Welt. :)

Permalink

Ja, stimmt, es lässt sich kaum - oder gar nicht - hinreichend beschreiben. Dennoch hast du es sehr gut und sehr schön ausgedrückt, für mein Empfinden. Die Musik ist sehr schön, und sie drückt aus, was Worte nicht ausdrücken können.

Permalink

Und obwohl sich alles so schrecklich anfühlt, hat man tief im Inneren dieses Vertrauen, dass alles gut werden wird. So ging und geht es mir zumindest seit einigen Monaten. Jedes Mal, wenn ich gegen eine Wand laufe, lehne ich mich zurück und lasse es einfach sein. Und jedes Mal ergibt sich direkt etwas neues Wunderbares. Es ist so ein befreiendes Gefühl inzwischen. Aber das letzte Jahr war es einfach nur schrecklich schmerzhaft. Aber inzwischen habe ich auch verstanden, warum es so schmerzhaft war. Weil ich mich so sehr dagegen gewehrt habe. Ich wollte das alles nicht erleben, nicht spüren, nicht fühlen. Seit ich angefangen habe, es einfach zuzulassen und anzunehmen, zu umarmen und zu lieben, seitdem geht es schneller vorbei und ist auch nicht mehr so schrecklich. Aber eben auch wegen dieser leisen Gewissheit, dass alles gut wird.

Permalink

Wahrgewordene Gedanken! Ich erlebe das auch immer häufiger und bewusster. Aber warum ignorieren? Ich finde es total faszinierend und fange an damit zu spielen. Manchmal denke ich, dass kann doch alles nicht wahr sein? Ich werde bestimmt gerade irre oder verrückt oder wahnsinnig. Bestimme ich etwa tatsächlich, was in meiner Welt passiert allein durch meine Gedanken?

Permalink

Ich akzeptiere. Ich akzeptiere, dass die Dinge sind, wie sie sind, obwohl sie mir nicht gefallen. Ich akzeptiere, dass ich nichts tun kann. Das war das schwerste. Ich akzeptiere, dass ich immer wieder Angst habe. Ich akzeptiere, dass ich sterbe. Ich akzeptiere wirklich, das sind nicht nur schöne Worte.

Ich akzeptiere, und ich lasse los. Das ist die einzige Option, die ein Sterbender hat. Die einzige Option, das Sterben zu überleben. Und plötzlich wird mein Leben leicht.

Ich kann nur aus mir/von mir sprechen.
Es handelt sich dabei nicht um ein inneres teilnehmen in einem State des Entweder Oder, sondern des Sowohl als Auch's. Mit ignorieren ist sprachlich übersetzt die Art Wahrnehmung gemeint, die z.Bsp. auch bewusst von einer Folgeerwartung entkoppelt ist. Es ist also möglich einen Gedanken und die davon ausgehende Energie wahrzunehmen und seiner inneren Autorität folgend, ihn wertneutral vorbeiziehen zu lassen. Sobald er bereits in Emotion übergegangen ist, bin ich auf in regelrecht draufgesprungen und ja, dann verändert und kreiert er dementsprechend die Welt/meine Welt. Das ist weder gut noch schlecht, das ist einfach so.
Bei all dem "Stumpfsinn" (Identifikationen) im Kollektiven, ist mein Mittel der Wahl Gedankenhygiene. Ein weiterer Aspekt, weshalb diese Art des Ignorierens für mich unerlässlich geworden ist.
Es ist unter dem Begriff Achtsamkeit bekannt. Das deckt es jedoch nur zum Teil ab. Für mich bedeutet es schlichtweg innere Präsenz.

Ich bin immer wieder erstaunt wie viele Wörter zum Ausdruck gebracht werden wollen, um eine inneres Erleben ansatzweise zu kommunizieren. Da ist Musik tatsächlich oft weitaus effektiver. :)

Permalink

Wieder einmal sehr schön und sehr klar ausgedrückt. Verständlich und nachvollziehbar.

Aber glaubst du wirklich, dass du nur Staub im Wind bist? Nur ein Tropfen Wasser im Ozean?

Jetzt muss ich lachen. Die Antwort ist Ja und Nein. Das kommt ganz auf die Perspektive an. Wo ich gerade umgehe, wie präsent ich bin.
"Nur" hat in deiner Fragestellung etwas Reduktionistisches miteingebaut, ich sehe es daher mit "einfach" für mich stimmiger übersetzt.
Im weiterführenden Sinn: That's it. Es ist (einfach) was es ist. :) Mit der Sprache kann man sich aber auch spielen.. :)

Der Song hat etwas an sich, das mich jenseits seiner Worte augenblicklich verbindet. Grob ausgedrückt, mit einer Wahrnehmung die weniger rational ist und dafür mehr Gefühl beinhaltet. Deshalb fand ich ihn noch passend als musikalisches Vermittlungsbeispiel. (Aus dem Kosmos meiner Wahrnehmung)

Permalink

Ich freue mich nicht, dass du gerade durch gehst. Aber ich freue mich, dass dir mein Beispiel irgendeine Art von Hilfe ist. Bei mir ist übrigens der Prozess des Sterbens schon seit einiger Zeit vorbei.

Permalink

Liebe Elisabeth,

es gibt ja schon seit einiger Zeit auch andere Kommentare von mir, die du bei den Besucherstimmen findest. Ich war nie ganz weg von meiner Lieblingsschöpfung, dieser Website. :-)

Das Sterben ist geschehen, die Neugeburt noch nicht. Die vollzieht sich gerade. Deshalb schreibe ich noch keine neuen Beiträge.

Du musst aufhören zu hoffen und akzeptieren, was ist. Mit dieser Haltung kommst du am schnellsten und leichtesten durch alles.

Liebe Grüße

Reiner