Was in mir so vorgeht

In mir laufen auch Prozesse ab, wie in jedem Menschen. Es laufen immer irgendwelche Prozesse ab, das ganze Leben ist ein ständiges Werden und Vergehen. Die Kunst dabei ist, lediglich Zeuge der Prozesse zu sein und sie nicht steuern zu wollen. Heuer, besonders in den letzten paar Monaten und ganz besonders in den letzten paar Tagen, finde ich diese Prozesse richtig spannend, und so entfaltete sich gestern langsam das Bedürfnis, darüber zu schreiben.

Es ist still. In mir und außerhalb von mir. Diese Stille mag ich gern, sie bewirkt, dass ich wunschlos bin. Gefördert wurde und wird die Stille durch die zahlreichen Sonn-/Feiertage in letzter Zeit. Vorige Woche Donnerstag war in Österreich Nationalfeiertag, kurz danach Samstag/Sonntag (der Samstag ist auch schon recht still), dann war Allerheiligen, und jetzt ist schon wieder Sonntag. Da war Raum für viel Stille in mir.

Äußerlich ist Stille. Keine Bestellungen, keine Anfragen, keine Zuschriften über die Website und auch sonst keine Mails. Und da kommt eine Sache, die ich sehr spannend finde. Seit gut drei Jahren bin ich immer wieder an diesen Punkt der äußeren Stille gekommen. Und immer wieder ist mir das unnatürlich vorgekommen. Im normalen Fluss melden sich Menschen bei mir, schreiben Kommentare, schreiben mir über das Kontaktformular und bestellen Dienste. Es sind ja genug Besucher auf meiner Website. Und so ist immer was los. Nicht viel, weil ich ja zu viel Trubel und vor allem Stress nicht mag, aber es ist ein ständiges Plätschern; ständig leichte Wellen. Im normalen Fluss, an den Punkten der äußeren Stille nicht.

Bisher bin ich mit dieser Stille unterschiedlich umgegangen, aber ich bin irgendwie damit umgegangen. Ein Teil meines Menschen wurde nervös, weil die Stille im Außen auch Stille auf meinem Bankkonto bedeutet hatte. So hatte es zumindest dieser Teil gesehen. Ich habe also entweder auf der Website herum gebastelt oder mehr geschrieben oder ein Buch geschrieben oder mich verstärkt abgelenkt mit Filmen, Serien, Spaziergängen usw. Letztlich hat alles der Ablenkung gedient, auch meine „beruflichen“ Aktivitäten.

Doch jetzt ist das anders, und das ist das Spannende. Die äußere Stille stört mich einfach nicht mehr. Ich schaue jeden Tag drei bis vier Mal in meine Mails, wissend, dass da nichts kommt. Ich bin nicht mehr enttäuscht darüber, es macht mir nichts mehr. Das ist wirklich eine neue Qualität. Andererseits mache ich heuer schon das ganze Jahr lang konsequent die Erfahrung, dass im letzten Moment immer genug Geld da ist. Je nach Bedarf mehr oder weniger. Im März und April hatte ich ja keine Unterkunft, also auch keine Kosten. Da kam wenig Geld, doch genug für meinen täglichen Bedarf. Seit Mai wohne ich im Hotel, das ist teurer als eine Wohnung, also kommt seit Mai entsprechend mehr Geld.

Gut, also die äußere Stille stört mich nicht mehr. Ich konnte von Woche zu Woche, von Monat zu Monat bezeugen, wie der Drang in mir, etwas zu unternehmen, abgefallen ist, und jetzt ist er ganz weg. Ich sage absichtlich „bezeugen“ und nicht „verfolgen“ oder „beobachten“, weil letzteres ein Dranbleiben impliziert und voraussetzt, und es genau darum geht, nicht dran zu bleiben. Der Zeuge nimmt wahr, was geschieht, er verfolgt das Geschehen nicht. Ich schaue nicht jeden Tag nach, was in mir geschieht, es fällt mir einfach nur auf.

Noch im Sommer habe ich es mit Ablenkung versucht, ich habe versucht, ein Buch zu schreiben. Da ist nämlich schon seit geraumer Zeit eines, das in mir anklopft. Und ich wollte es auf eine andere Art schreiben als meine bisherigen Bücher, in einem anderen Stil. Doch ich habe nicht einmal eine A4-Seite zu Papier gebracht, da war eine innere Sperre. Es war, als ob ein Teil von mir einem anderen Teil sagte: „Halte die Füße still. Alles ist in Ordnung.“

In diesem Jahr habe ich viel auf meiner Website gemacht. Zuerst das Theme und dann das Forum. Das waren in Summe drei bis vier Monate intensive Arbeit. Doch da ging es nicht um Ablenkung, das waren Dinge, die ich wirklich, wirklich machen wollte, und zwar heuer noch, nicht irgendwann. Ich kenne nämlich auch das bestens, dass ich etwas Begonnenes dann verschleppe. Das wollte ich in diesen Fällen keinesfalls, also ist die Arbeit zügig ohne Bremsen vonstatten gegangen. In den letzten zwei Wochen war da noch etwas Technisches, das angestanden ist. Zum einen die Umstellung von Drupal 9 auf Drupal 10 und zum anderen wieder einmal ein Wechsel meines Webhosters. Beides hat mir nicht gefallen, weil ich praktisch dazu genötigt wurde/werde. Nun, ich habe ein bisschen mit Drupal 10 herumgespielt, aber es ist langsam. Für den Wechsel des Hosters gibt es zwei, drei triftige Gründe, aber den passenden Hoster zu finden ist schwer. Und es ist so entsetzlich viel alte Energie im Spiel, und alte Energie widert mich mittlerweile nur noch an. Ich habe mir viele Hoster angeschaut und einen getestet. Es hat sich schnell erweisen, dass er für mich unbrauchbar ist, und ich habe gleich wieder gekündigt und mein Geld zurück verlangt. Wenigstens das hat gut funktioniert.

Jedenfalls war ich gerade dabei, Alternativen für diverse Unzulänglichkeiten meines aktuellen Hosters zu finden und zu testen, als die Lust dazu von einem Tag auf den anderen weg war, und zwar komplett. Das war erst Mitte der abgelaufenen Woche. Und seitdem befinde ich mich in einem Nichtstun und Nichtstunwollen ungeahnten Ausmaßes.

Ich habe nicht die geringste Lust, auch nur irgendetwas zu tun. Und ich habe keine Lust, mich abzulenken bzw. wäre das gar nicht möglich, da ist eine Sperre. Ich habe auch keine Lust hinaus zu gehen oder Menschen zu treffen. Und wenn jetzt jemand ein Gespräch bestellte, wäre das schwierig, denn ich habe keine Lust dazu. Seit ein paar Tagen spiele ich ein bisschen am Laptop und höre nach 20 Minuten wieder auf. An der Website arbeiten kommt nicht infrage. Ich stehe auf, gehe ein bisschen im Zimmer herum und setze mich wieder hin. Ich setze mich von einem Sessel auf den anderen. Gut, ich schaue mir täglich zwei Filme an, aber mehr geht auch nicht. Und es müssen Filme sein, die mir wirklich gut gefallen, sonst schmeiße ich sie gleich wieder weg.

Auf den ersten Blick herrscht da viel Langeweile, aber interessanter Weise stört mich das nicht. Ich weiß nämlich, dass sich das wieder ändert, dass da wieder Lust kommen wird, etwas zu tun, Aber aus Leidenschaft, nicht wegen Ablenkung. Die Langeweile ist nur oberflächlich, denn tief in mir drin genieße ich das und freue mich über den Prozess. Erstmals schalte ich mich aus und stelle mich kalt ohne das über den Körper zu spielen. Und erstmals tue ich es, ohne menschliche Wünsche sprießen zu lassen. Das ist sehr schön.

Das einzige, worauf ich seit einigen Wochen Lust habe, ist einzukaufen. In den vergangenen Jahren habe ich mir wenig gegönnt, und so bedurfte fast meine ganze Garderobe eines Austauschs. Darüber hinaus war da viel zu viel Blau in meiner Kleidung. Jahrelang hat es außer blau / grau / schwarz nicht viel gegeben, doch das heurige Jahr gibt sich wieder farbenfroh. Ich habe bereits im Mai und Juni ein paar Stücke gekauft, doch der Wäschetrockner hat zwei Hosen, die mir gut gefallen haben, geschrumpft. Also hatte ich wieder einen Engpass bei den Hosen. Am Anfang im Oktober hat mich das Einkaufen noch gestresst, weil es ein Muss war. Mittlerweile ist es mir eine Freude, ich gehe ein bis zwei Mal pro Woche einkaufen und freue mich über die schöne, neue Kleidung. Und darüber, dass das Blau fast vollständig verschwunden ist.

Ich schaue also noch einmal auf den Prozess, dessen Zeuge ich bin. Beginnend bereits letztes Jahr, aber besonders heuer, hat ein sagenhaftes Loslassen stattgefunden und findet noch immer statt. Ich habe mir da wieder einmal eine Zeit der Mühe beschert mit dem Verlust der Wohnung und den zwei Monaten in Notunterkünften im März und April. Doch diese zwei Monate waren der Intensivkurs im Loslassen, weil es gar keine andere Möglichkeit gab. (Aber das muss man auch erst einmal erkennen.) Dieses intensive Loslassen hat alles in Bewegung gebracht und die Grundlage dafür geschaffen, was ab Mai geschehen ist. Einerseits habe ich bemerkt, wie mein menschliches Selbst wieder begonnen hat, sich irgendwo festzukrallen, andererseits habe ich bemerkt, dass ich mich wirklich loslöse von meinen alten, menschlichen Mustern. Zuerst habe ich mir die Lust genommen, etwas zu tun, auch wenn es etwas war, das ich tun wollte, damit ich aus diesen alten Mustern raus komme. Das habe ich immer mehr und immer konsequenter gemacht. Und dann habe ich mir die Lust auf Ablenkungen genommen, ebenfalls immer mehr und immer konsequenter, mit einem wundervollen Höhepunkt in der vergangenen Woche.

Gleichzeitig habe ich mich um ausreichende Einnahmen gekümmert und mir wunderschöne Begegnungen geschenkt. Ich hatte drei Begleitungen und einige großartige persönliche Gespräche. In der Tat hat es heuer kein einziges Gespräch gegeben, das nur halb befriedigend gewesen ist.

Wenn ich ich sage, meine ich das ganze ICH, alles, was ich bin. Es ist nicht so, das der Mensch, der ich bin, dem Menschen die Lust genommen hat und sich um meine Einnahmen gekümmert hat. Ich kann auch nicht alles nur dem göttlichen oder dem menschlichen Selbst zuschreiben. ICH habe das alles gemacht, ungeteilt ICH. Meine menschliche Leistung bestand und besteht darin, mich wirklich auf die Position des Zeugen zurückzuziehen, in keiner Lage in Aktionismus, also alte menschliche Muster, zu verfallen, auch wenn es aus menschlicher Perspektive oft ungut ausgeschaut hat. Keinen Druck auf mich auszuüben und nicht in einer Haltung des Wünschens zu verweilen, wenn ich denn schon ins Wünschen hineingeschlittert bin. Das ist der wesentliche Unterschied zum vorigen Jahr, wo ich den Prozess beschleunigen wollte, was bekanntlich viel Leid gebracht hat.

Das führt mich zu einem weiteren Punkt, der sich in den letzten Wochen wieder stark ich den Vordergrund gedrängt hat: ICH bin es. Ich gestalte da täglich mein Leben. Mir ist das aufgefallen bis in winzige Details. ZB stehe ich da an einem Kästchen in meinem Hotelzimmer und esse. Es ist eigentlich zu hoch zum essen und zum hantieren mit Messer und anderen Gegenständen. Mir fällt etwas hinunter, ich ärgere mich über die widrigen Umstände hier, und im selben Moment fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Ich habe das alles gemacht. Ich habe es erschaffen, dass ich hier wohne, nicht irgendwelche Umstände. Es hat etliche solche Begebenheiten gegeben, bei denen ich mich als Schöpfer der Umstände erfahren habe. Auf der Erkenntnisebene, nicht auf der kognitiven.

Und jedes Mal ist diese Erkenntnis total erleichternd für mich. Ich bin es, nicht irgendetwas anderes. Ich kann das anders machen, wenn ich will. Ich erkenne mich in all meinen Ausdrucksformen und Schöpfungen.

Es geht bei allem natürlich um das göttliche Leben, das ich vor knapp zwei Jahren gewählt habe. Das ist mein Kontext, bei allem, was ich tue und erfahre. Die Wege, die ich voriges Jahr und heuer beschritten habe, könnten unterschiedlicher nicht sein. Letztes Jahr habe ich gleich am Anfang wohl auch gemerkt, dass sich der Prozess entfaltet, aber der Mensch in mir hat angetaucht und Druck gemacht. Heute sehe ich, dass ich dieses Muster aus meiner Zeit als schlafender Mensch mitgenommen habe. Ja, da habe ich angetaucht ohne Ende und gemäß der Gesetze der alten Energie viel erreicht. Das Witzige ist, dass ich natürlich gewusst habe, dass das nicht mehr funktioniert. Meine Wahl vor zwei Jahren habe ich ja auch deshalb getroffen, um davon endgültig wegzukommen. Ich wusste damals schon, was ich wählte, ich habe es mir aufgeschrieben. Nun, aus heutiger Sicht war 2022 das Jahr des Lernens und 2023 das Jahr des Früchte Erntens.

Ich bin so richtig begeistert davon, endlich nur mehr der Zeuge zu sein und den Prozess zu genießen. Nichts tun, mich nicht ablenken und das alles in vollem Schöpferbewusstsein, das habe ich vor nicht allzu langer Zeit nicht zusammen gekriegt. Heute gefällt mir das, nämlich so richtig. Und mir gefällt, dass es mir gefällt. Das ist die Freude Gottes, die Freude der Seele. Ich würde sagen, ich lenke mich langsam aber bestimmt ein auf den Weg des göttlichen Lebens ein.

Kommentare

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Wieder ein wunderbarer Text. Bin ich verwirrt oder verfangen, gehe ich auf Deinen Blog und blättere darin. Danach geht es mir gut, ich finde immer etwas sehr sehr Wahres und Passendes für den Moment. Die schwierigen Momente häufen sich gerade. Und seit 1 Woche merke ich oder weiss vielmehr über das Merken, ah, es stimmt was nicht. Es ist nicht wahr. Ich werde dann sehr mustergültig, was bei mir heißt abwesend, aktionistisch, unruhig. So ein Untun. Und ich warte 1-2 Tage, dann wird es ganz klar. Und nicht nur der Moment, ALLE (Lebens)Momente werden klar. Und dann ist es weg, ganz und gar. Ich traue mich es zu auszudrücken und erlebe das erste Mal Resonanz. Ganz es egal, ob stimmt was ich sage, aber es ist wahr. Ich bin meine eigene Wahrsagerin. Das ist unglaublich. Leid bekommt fast etwas Anheimelndes, weil es mich auf die richtige Spur bringt. Es löst nicht alles ins Praktische auf, aber es ist ja gänzlich alternativlos. Heute wurde mir ganz klar, warum Beziehungen nicht mehr klappen oder Konstellationen. So sehr unwahr sind, nicht stimmen, dass der Körper beängstigend entzündet, krampfig reagiert. Es tut weh, weil noch mehr rausfliegt. Kein Quentchen Hoffnung auf ein bisschen Rest sinnvoll ist. Das wäre nur weitere Bestandsbewahrung. Also mir wurde klar, ich kann nur noch in der Wahrheit leben. Für mich war das eine ganz grosse Erkenntnis heute.

Liebe Simone,

ja, es geht um deine Wahrheit, immer. Doch sich für die eigene Wahrheit zu entscheiden und auch wirklich danach zu leben, bedarf einigen Mutes. Nicht wahr? Und bedenke, deine Wahrheit ändert sich laufend. (Das ist, so nebenbei, der Unterschied zwischen Lüge und Wahrheit. Deine Wahrheit ändert sich, während die Lüge immer gleich bleibt.) - Und Hoffnung ist nie sinnvoll. ;-)
Falls du mir ausführlicher über alles schreiben magst, ich bin ganz Ohr.

LG, Reiner