Das ist heute kein Weihnachtsblog, ich bin lediglich heute in Stimmung, das hier zu schreiben. Eingefallen bzw. aufgefallen ist es mir vor ein paar Tagen, doch ich war zu sehr beschäftigt, um es aufzuschreiben. (Glücklicher Weise war ich mit Klienten beschäftigt, das hat immer Vorrang.) Heute war ich einen halben Tag lang auch sehr beschäftigt, und jetzt ist Ruhe, Weihnachtsruhe.
Es handelt sich um Erinnerungen an meine Kindheit, die ja bei mir Seltenheitswert haben. Aber es geht um etwas Spezielles, das ein Klient bei mir ausgelöst hat. Es muss in der Volksschulzeit gewesen sein (in Ö sechs bis zehn Jahre), genauer weiß ich es nicht mehr. Bei uns zu Hause gab es in der Küche eine Kredenz, wie in jedem Haushalt damals. Diese Kredenz war eher klein, da wir nicht wohlhabend waren und meine Eltern schon in sehr jungen Jahren ein paar Kinder zu versorgen hatten. (Zur zeitlichen Einordnung: ich spreche von den frühen 1970er Jahren.) Später dann hatten wir eine größere Kredenz, aber die, von der ich spreche, war klein.
Eines Tages hat meine Mutter eine Lade dieser kleinen Kredenz ausgeräumt und für mich freigemacht. Sie hatte dann noch weniger Platz für Geschirr, und ich hatte meinen ersten eigenen Raum. Nur für mich!
Meine älteren Schwestern hatten schon länger ihren eigenen Raum in Form eines eigenen Faches im gemeinsamen Schrank für alle Kinder. (Wir teilten uns damals zu dritt ein Zimmer.) Ich erinnere mich gut daran, dass diese eigenen „Räume“ für alle anderen Tabu waren, auch für unsere Eltern. Soweit ich meine Eltern als Jugendlicher und junger Erwachsener kennengelernt habe, haben sie niemals die Privatsphäre ihrer Kinder missachtet, weder meine Mutter noch mein Vater. Alleine damit haben sie uns viel mitgegeben. Folgerichtig wurden aus allen Kindern schnell selbständige Menschen.
Meine Lade in der Kredenz war sicher, die Fächer im gemeinsamen Kleiderschrank waren sicher. Ich hätte nie gewagt, diese Tabuzone zu durchbrechen, und meine Schwestern auch nicht, wie ich annehme. Und unsere Eltern sowieso nicht.
Ich habe meine Lade genutzt. Da waren durchaus auch Geheimnisse drin. Ich hatte nie auch nur den leisesten Grund zu der Annahme, dass meine geheimen Dinge in meiner Lade nicht sicher waren. Mein Vertrauen darauf wurde nie missbraucht. Und es war dieses wunderbare Gefühl, meinen eigenen Raum zu haben. Ich kann natürlich nicht für meine Schwestern sprechen, aber mir war das Gefühl des eigenen Raums schon als Kind sehr wichtig. Als Jüngster war ich zwar immer als letztes dran, aber ich kam dran.
Wir hatten damals wirklich wenig Platz und wirklich wenig Geld, aber wir hatten immer alles, was wir brauchten. So war es zB selbstverständlich für meine Eltern, dass alle Kinder das Gymnasium besuchten. Ich erinnere mich daran, dass ich gegen Ende der Volksschule gefragt wurde, ob ich lieber in die Hauptschule gehen wollte, was der übliche Weg war, oder lieber ins Gymnasium. Für mich war das damals keine Frage, natürlich ins Gymnasium. Je länger ich dort war, desto klarer wurde mir, dass das meine Schule war. Ich wollte nie an eine andere Schule. Als ich 14 war, hat mein Vater versucht, mir andere Schulen schmackhaft zu machen, damit ich ihm nicht so lange auf der Tasche lag, aber da biss er auf Granit. Für mich musste es das Gymnasium sein.
Für diese zwei Dinge bin ich meinen Eltern heute noch dankbar. Der eigene Raum, der sicher und respektiert war, und die gute Schulbildung. Nun, ich habe mir ja auch meine Eltern vor meiner Geburt ausgesucht.
Es gab dann später viel Krach und viele Auseinandersetzungen, es war echt ungemütlich, aber meine Kindheit war glücklich. Und ich bin ihnen auch dankbar dafür, dass es für sie so selbstverständlich war, alle ihre Kinder zu selbständigen Menschen zu erziehen. Da gab es alles in allem wirklich ein paar Dinge, die gute Voraussetzungen für mein späteres Leben waren, trotz der zahlreichen Streitereien.
Meine älteste Schwester verließ unseren Haushalt als erste, weil sie nach vier Jahren Gymnasium eine andere Schule in einer Stadt besuchte, die schon weiter entfernt war. Ich atmete auf. Nicht wegen meiner Schwester, sondern wegen dem größeren Raum. Jetzt waren wir nur noch zu zweit in unserem Zimmer, außer samstags und in den Ferien, da kam die Älteste natürlich nach Hause. (Damals ging man noch sechs Tage / Woche in die Schule.) Jedenfalls genoss ich den größeren Raum. Da meine älteste Schwester jung heiratete, waren wir bald überhaupt nur noch zu zweit. Es gab zwar schon seit ein paar Jahren noch eine kleine Schwester, eine Nachzüglerin, aber die schlief nicht in unserem Zimmer. Sie war auch noch sehr klein, und meine zweite Schwester und ich mochten die Kleine sehr.
Als ich 15 war, zog meine zweitälteste Schwester aus, sie zog zu ihrem Freund nach Wien. Nun war ich alleine, endlich.
Ich hatte ein ganzes Zimmer nur für mich. Oh, ich verstand mich gut gut mit meiner zweiten Schwester, aber viel lieber war mir mein eigener Raum, der nun wirklich ein ganzer Raum war. Ich erinnere mich gut an den Genuss, den ich empfand. Auch heute habe ich nichts lieber als meine eigenen vier Wände. Die sind wirklich durch nichts ersetzbar.
Mit 19 bin ich schließlich selbst nach Wien gezogen um zu studieren. Und wieder war ich bei meiner zweiten Schwester und ihrem Freund, die mich dann ein Jahr lang ertragen haben, bis ich meine erste, eigene Wohnung hatte.
Vorige Woche hat mich wieder ein ehemaliger Klient kontaktiert, der mir gerne ab und zu seine aktuellen Geschichten erzählt. Ein besonderer Mensch, eines von diesen faszinierenden neuen Kindern. Als solches ist er natürlich erleuchtet und schreibt mir immer gern, wenn ihn niemand mehr versteht außer mir. Jedenfalls ist er in den letzten Jahren viel herum gezogen in der halben Welt und hat in letzter Zeit signifikante Erfahrungen mit seinem eigenen Raum gemacht. Das musste er mir natürlich erzählen, und dabei ist mir die Geschichte mit der Lade in der Kredenz eingefallen, die mein erster eigener Raum war.
Ich kann nur immer wieder die Wichtigkeit eines solchen Raumes betonen, in ihm geschehen Wunder, im wahrsten Sinne des Wortes. Und mir fallen so viele Klientinnen ein, die diesen Raum nicht haben, vor allem, weil sie in altenergetischen, verfilzten Beziehungen leben.
Meine heutige Geschichte hat wirklich nichts von einem Weihnachtsblog, aber es kommt auf die Stimmung an, in die du dich begibst. Ich bin schon dort und wüsche dir frohe Weihnachten! ![]()
- Anmelden zum kommentieren